Rundschreiben 20/2003 vom 28.04.2003 der Bundesnotarkammer
Anwendungsempfehlungen zur praktischen Umsetzung von
§ 17 Abs. 2 a Satz 2 BeurkG
Am 01.08.2002 sind weite Teile des Gesetzes zur Änderung des Rechts zur Vertretung
durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG - Vertretungsänderungs-gesetz - OLGVertrÄndG vom 23.07.2002 - BGBl. I, Seite 2850 ff.) in Kraft getreten.
Wie bereits im Rundschreiben der Bundesnotarkammer Nr. 20/2002 vom 28.6.2002 angekündigt, ist es in diesem Zusammenhang auch zu einer Ergänzung des § 17 Abs. 2 a BeurkG gekommen, welcher neuer Amtspflichten des Notars zur Gestaltung des Beurkundungsverfahrens bei Verbraucherverträgen begründet.
Die Anwendung der neuen Vorschrift hat in der notariellen Praxis in zahlreichen Punkten zu Unsicherheiten geführt. Vor diesem Hintergrund hat sich der Ausschuss für notarielles Berufsrecht der Bundesnotarkammer in seiner Sitzung am 25. November 2002 mit der Erarbeitung von Anwendungsempfehlungen befasst, die anschließend Gegenstand der 174. Präsidiumssitzung am 27. Januar 2003 sowie der 86. Vertreterversammlung am 4. April 2003 waren. Das Präsidium hat die nachstehenden Anwendungsempfehlungen einstimmig, die Ver-treterversammlung hat sie bei einer Gegenstimme durch den Vertreter der Notarkammer Stuttgart mehrheitlich bestätigt. Die Notarkammer Stuttgart hat darum gebeten, ihre ablehnende Haltung in diesem Rundschreiben festzuhalten.
A. Anwendungsbereich
§ 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG gilt ausdrücklich nur für Verbraucherverträge im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB. Damit werden von der Neuregelung nur Verträge zwischen einem Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB und einem Verbraucher im Sinne des § 13 BGB erfasst. Entscheidend für die Anwendung der Neuregelung ist daher stets die Eigenschaft der Vertragsparteien. Dem Zweck der Neuregelung entsprechend sind darunter die "materiell Urkundsbeteiligten" zu verstehen.
Den Amtspflichten aus § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG ist bei allen Verbraucherverträgen unabhängig davon Rechnung zu tragen, in welcher Rolle oder Funktion der Verbraucher am Vertrag beteiligt ist. Die Norm beansprucht also nicht nur dann Geltung, wenn der Verbraucher als Erwerber aufritt, sondern ebenso bei seiner Beteiligung als Veräußerer. Ohne Bedeutung ist die Art des der Beurkundung zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts. So werden nicht nur Kauf- oder Bauträgerverträge, sondern auch Gesellschaftsverträge, Tauschverträge u.a. von der
Neuregelung erfasst, soweit es sich hierbei um Verbraucherverträge handelt. Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass der Notar den in § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG konkretisierten Amts-pflichten nicht nur bei der Beurkundung von Verträgen, sondern auch bei allen einseitigen, auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages gerichteten Rechtsgeschäften (wie z. B. Vertragsangeboten) zu genügen hat. Lediglich für § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 2 Hs. 2 BeurkG (Zwei-Wochen-Frist) gilt die Einschränkung auf nach § 311b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 BGB beurkundungspflichtige Geschäfte.
Nachdem der Begriff des Verbrauchervertrages dem europäischen Recht entspringt, das in der Regel keine Unterscheidung zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Verträgen trifft, umfasst die Vorschrift grundsätzlich auch alle dinglichen Verträge bzw. Angebote auf deren Abschluss. Dies betrifft nicht zuletzt die Bestellung einer Grundschuld zugunsten eines Kreditinstitutes.
Verträge unter ausschließlicher Beteiligung von Unternehmern unterfallen nicht dem § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG. Die Neuregelung findet auch keine Geltung für Verträge, an denen ausschließlich Verbraucher beteiligt sind. Dementsprechend findet § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG auch keine Anwendung für einseitige Erklärungen, sofern sie nicht auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages gerichtet sind. Insoweit bleibt es bei der Einschlägigkeit der zu § 14 Abs. 3 BNotO ergangenen Richtlinienbestimmungen der einzelnen Notarkammern (vgl. § 17 Abs. 2 a S. 3 BeurkG).
Im Hinblick auf den Anwendungsbereich von § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG ist die Frage aufgeworfen worden, inwieweit juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB zu behandeln sind. Diese bereits im Zusammenhang mit § 24 a AGBG diskutierte Frage ist nicht abschließend entschieden (vgl. hierzu Rieger, MittBayNot 2002, Seite 325, 327). Sie hängt im Wesentlichen davon ab, ob das Handeln der öffentlichen Hand im konkreten Einzelfall als gewerbliche bzw. rein fiskalische Tätigkeit anzusehen ist. Nicht erfasst sind allerdings in jedem Fall Grundstücksgeschäfte, die unmittelbar einem öffentlichen Zweck dienen (z. B. der Erwerb von Grundstücken für den öffentlichen Straßenbau).
B. "Hinwirkungspflicht" des Notars
Nach § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG "soll" der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers von diesem persönlich oder durch eine Vertrauensperson abgegeben werden (Nr. 1) und der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinander zu setzen (Nr. 2).
I. "Soll-Vorschrift"
Auch "Soll-Vorschriften" des Beurkundungsgesetzes begründen unbedingte Amtspflichten, von denen der Notar nicht nach seinem Ermessen abweichen darf. Auch die Beteiligten können (wie bei § 17 Abs. 1 BeurkG) den Notar nicht von diesen Amtspflichten durch Verzicht entbinden. Verstöße gegen eine "Soll-Vorschrift" führen jedoch nicht zur materiellen Unwirksamkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts. Hiervon unberührt bleiben die dienst- oder haftungsrechtlichen Folgen für den Notar.
II. Ausgestaltung der "Hinwirkungspflicht"
Die vom Gesetzgeber gewählte Wortwahl, nach welcher der Notar auf die Einhaltung der Verfahrensgrundsätze "hinzuwirken" hat, hat zu Diskussionen hinsichtlich Inhalt und Umfang der dem Notar auferlegten Pflichten geführt. Auch wenn die Hinwirkungspflicht des Notars nicht als Erfolgspflicht ausgestaltet ist, kann sie keineswegs mit einer bloßen Hinweispflicht gleichgesetzt werden. Vielmehr verpflichtet sie den Notar, sich effektiv für eine Einhaltung des vom Gesetz vorgesehenen Verfahrens einzusetzen.
Der Notar hat demnach einerseits das Recht, die Beurkundung abzulehnen, wenn die Beteiligten sich ohne vernünftige Gründe dem vom Gesetzgeber angestrebten Beurkundungs-verfahren verweigern. Da der Notar aber hinsichtlich seines Hinwirkens keiner Erfolgspflicht unterliegt, besteht andererseits grds. keine Pflicht die Beurkundung abzulehnen, wenn die Einhaltung des von § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG skizzierten Verfahrens trotz entsprechender Initiative durch den Notar nicht möglich ist.
C. Die Neuregelung des § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 1 BeurkG
Gemäß der Neuregelung in § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 1 BeurkG soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers von diesem persönlich oder durch eine Vertrauensperson abgegeben werden. Ziel der Vorschrift ist es, eine effektive Interessenwahrnehmung des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer zu ermöglichen sowie sicherzustellen, dass die Belehrung des Notars tatsächlich diejenigen Personen erreicht, zu deren Schutz sie gedacht sind.
I. Verhältnis zu den Richtlinienbestimmungen
§ 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 1 BeurkG verschärft damit die bislang schon aufgrund der Richtlinienbestimmungen der Notarkammern beim Auftreten von Vertretern bestehenden Einschränkungen. So ist es hiernach nicht entscheidend, ob ein systematisches Handeln vorliegt. Vielmehr soll der Notar auch die einmalige Vertretung des Verbrauchers durch andere als Vertrauenspersonen vermeiden.
II. Vertrauensperson
Die Beurkundung aufgrund einer Vollmacht ist weiterhin zulässig, sofern eine "Vertrauensperson" bevollmächtigt ist. Hierunter fallen unzweifelhaft der Ehegatte oder Lebenspartner, Kinder oder sonstige Verwandte. Freunde, aber auch geschäftsmäßige Interessenvertreter des Verbrauchers wie ein beauftragter Rechtsanwalt oder Steuerberater sind ebenfalls grds. als Vertrauenspersonen anzuerkennen. Keine Vertrauenspersonen sind hingegen diejenigen, die u. U. konkurrierende Eigeninteressen verfolgen oder dem Unternehmer näher als dem Verbraucher stehen (so z. B. der Bauträger bzw. dessen Angestellten).
Aber auch Personen die zu beiden Vertragsparteien ein "neutrales" Verhältnis besitzen, insbesondere die Angestellten des Notars, sind entsprechend dem Schutzzweck der Norm keine "Vertrauenspersonen" im Sinne des § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 1 BeurkG, auch wenn die Beteiligten dem Notar und dessen Angestellten im übrigen "Vertrauen" entgegenbringen. Im Falle des Vertreters geht es um eine Person, die die Interessen der vertretenen Partei einseitig zu wahren hat. Das Vertrauen in den Notar und seine Angestellten bezieht sich aber gerade auf die Neutralität gegenüber Einzelinteressen. Der Notarangestellte kann insofern gerade nicht die einseitigen Interessen des Verbrauchers vertreten, da andernfalls gerade das Vertrauen in die Neutralität beeinträchtigt wäre.
Die Tatsache, dass der Notarangestellte nicht "Vertrauensperson" im Sinne von § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 1 BeurkG ist, bedeutet hingegen nicht, dass jede Beurkundung mit einem Notar-angestellten im Geltungsbereich dieser Vorschrift generell untersagt wäre. Der Notar darf aber nicht von sich aus eine solche Gestaltung vorschlagen, schon gar nicht durch entsprechende Vorgaben in seinen Mustern. Hat der Notar mit der nötigen Ernsthaftigkeit beim Verbraucher darauf hingewirkt, dass dieser zu der Beurkundung selbst erscheint oder eine entsprechende Vertrauensperson schickt, ist der Verbraucher aber aus wichtigen und nachvollziehbaren Gründen an einer persönlichen Teilnahme verhindert und kann er nach eigenem Bekunden auch keine Vertrauensperson schicken, so kann auf Vorschlag des Verbrauchers im Einzelfall auch eine Beurkundung mit einem Notarangestellten erfolgen. Aus der "Hinwirkungspflicht" des Notars folgt aber, dass der Anstoß zu diesem Verfahren nicht vom Notar kommen darf.
III. Einschränkungen bei Erfüllungs- und Vollzugsgeschäften
Aus dem Normzweck ergibt sich, dass das Hinwirkungsgebot bei Erfüllungs- und Vollzugsgeschäften gewissen Einschränkungen unterliegt. So endet der Schutzzweck des § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 1 BeurkG immer dann, wenn der Verbraucher bereits im Rahmen einer vorangegangenen Beurkundung bestimmte Verpflichtungen eingegangen ist bzw. bestimmte Rechtspositionen (z.B. durch Zustimmung) aufgegeben hat. Bei der bloßen Umsetzung des vorangegangenen Rechtsgeschäfts ist der Verbraucher nicht mehr in dem Maße wie zuvor schutzwürdig. Der gleiche Rechtsgedanke zeigt sich bei der einschränkenden Auslegung von § 181 BGB, wonach die dort geregelten Verbote der Doppelvertretung sowie des "In-sich-Geschäfts" keine Anwendung finden, wenn ein Rechtsgeschäft ausschließlich in Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
Vor diesem Hintergrund dürften keine Bedenken gegen eine Bevollmächtigung des Käufers durch den auf Verkäuferseite auftretenden Verbraucher bestehen, in seinem Namen aufgrund einer Belastungsvollmacht Finanzierungsgrundpfandrechte an dem vertragsgegenständlichen Grundbesitz unter den üblichen einschränkenden Voraussetzungen eintragen zu lassen. In der zuvor beurkundeten Belastungsvollmacht erklärt der Verkäufer auch seine Zustimmung zu der späteren Belastung, gibt seine diesbezügliche Rechtsposition damit also schon auf. Gleiches gilt für den Grundstückskaufvertrag ohne Auflassung und deren anschließende isolierte Beurkundung.
Die gleiche Überlegung gilt für reine Vollzugsgeschäfte, die lediglich der Abwicklung und Durchführung des zuvor abgeschlossenen Rechtsgeschäfts dienen und die gegenseitigen Rechte und Pflichten nicht wesentlich ändern oder gar neu gestalten.
Aber auch zur Vornahme nachträglicher Vertragsänderungen kann unter bestimmten Umständen die Erteilung einer Vollmacht an Personen, die keine Vertrauensperson darstellen, zulässig sein. Bedeutsam ist dies insbesondere bei Vollmachten des Verbrauchers an den Unternehmer zur Änderung des Verbrauchervertrages (einschließlich möglicher in Bezug genommener Urkunden, wie z.B. einer Teilungserklärung) oder zur noch erforderlichen näheren Bestimmung der auszutauschenden Leistungen. Voraussetzung dafür ist, dass ihr Gebrauch in erster Linie der Durchführung eines bereits geschlossenen Vertrages dient, bei dessen Beurkundung das der Vollmacht zugrundeliegende Grundverhältnis festgelegt und über die Befugnisse der Bevollmächtigten belehrt wurde. Inhalt und Umfang der Vollmacht werden dem Verbraucher bzw. seiner Vertrauensperson damit bereits in der Beurkundung des ursprünglichen Verbrauchervertrages vom Notar so verdeutlicht, dass unter dem Gesichtspunkt des Erreichens der mit § 17 Abs. 1 und 2 BeurkG bezweckten Belehrung des Verbrauchers kein weitergehendes Bedürfnis nach einer Belehrung bei Ausübung der Vollmacht besteht.
Finanzierungsgrundschulden des Verbrauchers als Käufer stellen allerdings kein Vollzugsgeschäft in diesem Sinne dar. Es handelt sich bei der Grundschuldbestellung um einen neuen und eigenständigen Vertrag zwischen anderen Vertragsparteien, nämlich dem Käufer und dem Kreditinstitut. Die Grundschuldbestellung ermöglicht dem Käufer zwar die Aufbringung der ihm obliegenden Kaufpreiszahlung. Die Schaffung der Voraussetzung für die eigene (finanzielle) Leistungsfähigkeit stellt sich aber genauso wenig als "Vollzug" des Kaufvertrages dar wie etwa die Bestellung von Baumaterialen durch den Bauträger auf Verkäuferseite.
D. Die Neuregelung des § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 2 BeurkG
I. Zweck
§ 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 2 Hs. 1 BeurkG legt dem Notar bei der Beurkundung von Verbraucher-verträgen allgemein die Pflicht auf, darauf hinzuwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinander zu setzen. Der Verbraucher soll mithin nicht unvorbereitet in die Beurkundung gehen, sondern seine Entscheidung zu dem von ihm beabsichtigten Rechtsgeschäft so weit wie möglich prüfen können. Zugleich soll er ausreichend Gelegenheit erhalten, externe Berater (z. B. einen Steuerberater) hinzuzuziehen, um die steuerlichen und sonstigen, nicht im Belehrungsumfang des Notars enthaltenen Konsequenzen des in Erwägung gezogenen Rechtsgeschäftes zu überprüfen.
II. Verhältnis zu den Richtlinienbestimmungen
Insoweit besteht auch keine wesentliche Neuerung gegenüber den Vorgaben der Richtlinienbestimmungen der Notarkammern, deren Wortlaut der Gesetzgeber hier übernommen hat. Zur Verwirklichung dieses Zieles bietet sich, wie schon bisher, in erster Linie die Übersendung eines entsprechenden Vertragsentwurfes an. Letzteres sowie die Bemessung der Frist bis zur Beurkundung hat sich an den konkreten Umständen des zur Beurkundung anstehenden Rechtsgeschäftes zu orientieren.
Demgegenüber verschärft § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 2 Hs. 2 BeurkG die Amtspflichten des Notars gegenüber den Richtlinien erheblich, allerdings beschränkt auf Verbraucherverträge, die der Beurkundungspflicht nach § 311 b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 des BGB unterliegen. Nach § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 2 Hs. 2 BeurkG soll bei den vorgenannten Grundstücksverträgen dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts "im Regelfall" zwei Wochen vor Beurkundung zur Verfügung gestellt werden.
III. "Beabsichtigter Text" des Rechtsgeschäfts
Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Übersendung eines bezogen auf den konkreten Einzelfall vollständig ausgestalteten Vertragsentwurfes nicht erforderlich. Das Gesetz lässt vielmehr auch die Aushändigung eines Vertragsmusters zu, soweit dieser hinreichend konkretisiert ist und dem Verbraucher erlaubt, sich eingehend mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen (einschließlich etwaiger "Grundlagenurkunden"). Die Anforderungen an den Text im Einzelnen sind am Normzweck der Vorschrift auszurichten, dem Verbraucher die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Beurkundung in jeder, also nicht nur rechtlicher, sondern z. B. auch bautechnischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu ermöglichen. Dafür ist nicht die Einsetzung seiner Personalien oder des Kaufpreises erforderlich. Schädlich dürfte dagegen das Fehlen einer Baubeschreibung oder der Teilungserklärung, die gerade in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht von grundlegender Bedeutung sind undin der Regel einer eingehenden vorherigen Prüfung durch den Erwerber bedürfen, sein.
IV. Das Zurverfügungstellen
Der beabsichtigte Vertragstext ist dem Verbraucher in der Regel zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung zu stellen. Insofern ist es mit dem Wortlaut des Gesetzes ohne weiteres vereinbar, dass nicht der Notar, sondern der den Vertrieb organisierende Unternehmer den beabsichtigten Vertragstext an den Verbraucher übermittelt.
Allerdings zielen die Vorstellungen des Gesetzgebers darauf ab, dass die Unterrichtung nach Inhalt und Zweck der Neuregelung in der Hand des Notars liegen soll, da sich so der angestrebte Zweck einer ausreichenden Information der Verbraucher am besten erreichen lässt. Es dürfte daher ratsam sein, dass der Notar den beabsichtigten Vertragstext des Rechtsgeschäfts dem Verbraucher selbst zur Verfügung stellt. Soweit letzteres nicht möglich ist, erscheint es empfehlenswert, dass der Notar anderweitig an den Verbraucher herantritt, um diesem ausreichend Gelegenheit zu geben, innerhalb der zweiwöchigen Frist vorbereitende Fragen oder Wünsche an ihn zu richten.
V. Die Zweiwochenfrist
Die Zweiwochenfrist in § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 2 Hs. 2 BeurkG ist als Regelfall ausgestaltet. Vor diesem Hintergrund sind Ausnahmen zugelassen. Ein Abweichen von der Regelfrist kommt hierbei jedoch nur dann in Betracht, wenn in Einzelfällen nachvollziehbare Gründe auch unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers es rechtfertigen, die dem Verbraucher zugedachte Schutzfrist zu verkürzen.
Unberührt bleibt in jedem Fall die in § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 2 Hs. 1 BeurkG begründete Pflicht. Soll eine Beurkundung vor Ablauf der Zweiwochenfrist aus nach den vorstehenden Maßstäben begründetem Anlass erfolgen, muss der Notar deshalb in jedem Fall darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich mit dem Gegenstand der Beurkundung – auch in der kürzeren Frist – ausreichend auseinander zu setzen. Die Entscheidung, ob im Einzelfall von den Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 Hs. 2 BeurkG abgewichen werden kann und wie das Verfahren im übrigen gestaltet wird, hat allein der Notar in eigener Verantwortung zu treffen. Die Beteiligten können dem Notar insoweit keine verbindlichen Vorgaben machen.
Dem verbraucherschützenden Zweck des § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG ist auch damit nicht genüge getan, dass dem Verbraucher im Vertrag ein einseitiges, 14-tägiges Widerrufs- bzw. Rücktrittsrecht eingeräumt wird, bei dessen Ausübung der Unternehmer die Notarkosten zu tragen hat. Das Gesetz sieht insoweit keine Ausnahme von der Einhaltung der Zweiwochenfrist zur Auseinandersetzung des Verbrauchers mit dem Rechtsgeschäft vor der Beurkundung vor. Überdies ist ein Rücktrittsrecht einer vorgelagerten Überlegungsfrist keineswegs gleichwertig, da der Verbraucher die gewonnenen Erkenntnisse nicht mehr zur Änderung des Vertragstextes nutzen kann. Er hat insoweit nur noch die Möglichkeit zurückzutreten oder aber an dem Vertrag festzuhalten ("Alles- oder Nichts-Prinzip"). Ferner dürfte die psychologische Hemmschwelle, von einem Vertrag zurückzutreten, aufgrund des damit einhergehenden Gesichtsverlustes weitaus höher sein, als einen in Erwägung gezogenen Vertrag nicht abzuschließen.
E. Änderungen des Vertragstextes
Änderungen des beabsichtigten Vertragstextes, welche vom Verbraucher ausgehen, sind bis zum Vertragsabschluss ohne weiteres möglich, ohne dass es einer erneuten Fristeinhaltung bedarf. Werden Änderungen des Vertragstextes vom Unternehmer gewünscht, so dürfte eine neue Zweiwochenfrist allenfalls dann zu laufen beginnen, wenn die Wünsche des Unternehmers den Vertrag in wesentlichen Punkten gegenüber dem ursprünglichen Vertragstext zu Lasten des Verbrauchers verändern. Im übrigen kann die endgültige Festlegung des Vertragstextes auch erst bei der für das Beurkundungsverfahren zentralen Beurkundungsverhandlung erfolgen.
Dies gilt grds. auch, wenn die Vertragsbeteiligten auf der Verbraucherseite wechseln oder eine weitere Person - wie etwa bei einem gemeinsamen Erwerb von Ehegatten - hinzutritt, wenn zwischen den beteiligten Verbrauchern ein Vertrauensverhältnis besteht. Kann eine Vertrauensperson den Verbraucher in der Beurkundungsverhandlung vertreten, so muss es erst recht zulässig sein, dass sie sich anstelle des Verbrauchers mit dem Vertragstext auseinandersetzt. Dies dürfte selbst dann gelten, wenn der Text zunächst an die Vertrauensperson versandt worden ist und nunmehr der Verbraucher selbst bei der Beurkundung anwesend ist.
F. Keine Vermerk- und Dokumentationspflicht
§ 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 2 Hs. 2 BeurkG begründet auch bei einer Abweichung von der Zweiwochenfrist weder für die Urkunde noch für die Nebenakte eine Vermerkpflicht. Gleichwohl kann es sich im Hinblick auf die Einhaltung der neuen Amtspflichten im Einzelfall empfehlen, einen entsprechenden Vermerk in die Urkunde aufzunehmen oder die Einhaltung der Amtspflichten in sonstiger Weise in der Nebenakte zu dokumentieren. So kann etwa eine Erklärung des Verbrauchers in den beurkundeten Vertrag aufgenommen werden, aus welcher der Zeitpunkt des Empfangs des Vertragstextes hervorgeht.
In der Anlage zu diesem Rundschreiben fügen wir ein Verzeichnis der zur Ergänzung des § 17 Abs. 2 a BeurkG bereits veröffentlichten Literatur zu Ihrer Kenntnisnahme bei.
Anlage zu Rundschreiben Nr. 20/2003 der Bundesnotarkammer
Literaturverzeichnis zur Ergänzung des § 17 Abs. 2 a BeurkG
Bohrer, Notarsperre für Verbraucherverträge, DNotZ 2002, 579; Brambring, Sperrfrist für Beurkundungstermine, ZfIR 2002, 597; ders. in: Amann/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neuem Schuldrecht, 2. Aufl., 442; Grziwotz, Checkliste zur Beurkundung von Grundstücks-verbraucherverträgen, ZfIR 2002, 667; Hertel, Erste Anmerkungen zur Ergänzung des § 17 Abs. 2 a BeurkG, ZNotP 2002, 286; Jost, Neues zur Beurkundung von Verbraucherverträgen, ZGS (= Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht) 2002, 346; Litzenburger, Der Notar als Verbraucherschützer - Die Amtspflichten gem. § 17 Abs. 2 a S. 2 BeurkG, NotBZ 2002, 280; ders. in: Bamberger/Roth, BGB, Band 3, 2002, BeurkG § 17 Rdnrn. 15 ff; Maaß, Zur Auslegung von § 17 Abs. 2 a S. 2 Nr. 1 BeurkG - Sind Vollmachten in Grundstücksverträgen mit Verbrauchern weiterhin zulässig und können Mitarbeiter des Notars bei deren Vollzug aufgrund solcher Vollmachten weiterhin wirksam handeln ?, ZNotP 2002, 455; Mohnhaupt, Zur Änderung des Beurkundungsverfahrens durch das OLG-Vertretungsgesetz, NotBZ 2002, 248; Rieger, Neue Regeln für die Beurkundung von Verbraucherverträgen, MittBayNot 2002, 325; Schmucker, Die "Entstehungsgeschichte" der Ergänzung von § 17 Abs. 2 a BeurkG, DNotZ 2002, 510; Solveen, Die Ergänzung des § 17 Abs. 2 a BeurkG und ihre Folgen für die notarielle Praxis, RNotZ 2002, 318; Sorge, Die Ergänzung des § 17 Abs. 2 a BeurkG, DNotZ 2002, 593. Strunz, Eine Entgegnung auf Hertel, "Erste Anmerkungen zur Ergänzung des § 17 Abs. 2 a BeurkG", ZNotP 2002, 286 ff., ZNotP 2002, 389.